Leseproben
Hedda Wagner,
Liedtexte und Interpreationen
Mir hat von roten Rosen geträumt
Mir hat von roten Rosen geträumt
In einer eisigen Winternacht;
Es war, als hätten sie zärtlich von dir
Mir eine liebende Botschaft gebracht
Wie waren die Blüten so lächelnd – hold!
So schaute mich einstens auch dein Blick –
Dann wachte ich auf … der Traum verflos-
Nur Nacht und Winter blieben zurück
Interpretation:
Es geht in diesem Lied um den Verlust der Mutter. … in einer eisigen (es ist die NS Zeit, 1942) Winternacht (es ist eiskalt, auch zwischen den Menschen)
Träumt sie von der Verstorbenen --- der vergangenen Zeit, wo alles schöner war (liebende Botschaft – vielleicht die Hoffnung auf eine bessere Zeit in der Zukunft,
aber: der Traum verflog, nur Nacht und Winter… alles ist hoffnungslos, vergeblich ………Weltschmerz ist echtem Schmerz und Resignation gewichen.
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Eine Sichel klingt im Tale
Eine Sichel klingt im Tale,
eine Sichel rauscht im Feld;
Nun ist es Zeit zur Ernte,
Und reif ward rings die Welt.
Auf leergemähten Feldern
Treibt kühler Wind sein Spiel-
Der Mohn trug rote Blüten,
Eh er zur Erde fiel.
Eine Sense rauscht im Felde,
Eine Sichel klingst im Tal-
Mein Lieb, nun muss ich wandern,
Seh dich zu letzten Mal
Interpretation:
Vergänglichkeit des Lebens, Winter, Abschied und Tod sind die Leitthemen des Liedes „Eine Sichel klingt im Tale“ aus dem Jahr 1942. Die Sense galt schon im Mittelalter als Symbol für den Tod. Wenn „kühler Wind“ sein Spiel treibt, dann ahnen wir, dass nichts Gutes auf uns zukommt. Nach dem Herbst, der Ernte folgt der Winter, das Leben stirbt und wir sind allein. „Der Mohn trug rote Blüten“ könnte eine Anspielung auf den Sozialismus sein, der „Eh er zur Erde fiel“ vom Nationalsozialismus zerstört wurde. Liebende müssen scheiden, ein Wiedersehen in diesem Leben gibt es nicht mehr – eine Metapher für all die großen Verluste in Hedda Wagners Leben: Tod der Eltern, Verlust von Freunden und dem eigenen Leben.
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Gelbe Herbstrosen
Im Garten steh ich vor einem Beet mit Rosen,
gelb wie des Herbstes todgeweihtes Laub;
und Duft steigt auf aus ihrer Blüten Tiefe, so süß,
als ob ein Stück nach Leben riefe, das längst zerfiel in Staub
Und diese duftschweren gelben Rosen
Möchte ich als meiner Sehnsucht letzten Segen
In deine kühlen, blassen Hände legen, die ich so sehr geliebt.
Interpretation:
Die Rosen sind verwelkt, der Sommer vorbei, alles vergeht, auch die Freude, und die Liebe.
Ein geliebter Mensch ist gestorben, eine schöne Zeit vorbei… es geht in diesem Gedicht um die Vergänglichkeit alles Irdischen. Menschen, Systeme, Blumen, Leben
Blauschimmernde Tage
Blauschimmernde Tage goldgesäumt
Und lockend die Amseln flogen – so ist der Frühling!
So hab ich’s geträumt in kurzen Wintertagen
Die Schlüsselblumen lugen hervor, die Knospen schwellen und springen
hin über die froh erwachende Welt
breitet sich leise ein Klingen, ein Klingen, ein Lied
des Wunders voll,
das tief mich ins Herz getroffen und Traum drängt sich zur
Wonne empor verzehrend Zuversicht und Hoffen
Die alte Lust, das alte Leid
Wie sollte ich vor ihnen mich fürchten
In meinem Herzen sprießen aufs neu
Die flammenden Liebesblüten
Interpretation:
Erstes Lied, romantisch, noch nicht ahnend, was das Leben bringt. Damals lebte HW in gesicherten Verhältnissen mit und bei ihren Eltern. Das Studium hatte sie beendet, vom Ende der Monarchie, vom Krieg hatte sie keine Ahnung, vielmehr lag das Leben vor ihr, ein scheinbar unendlicher Horizont … was sollte ich vor ihnen mich fürchten…. Sie kennt keine Angst, weil sie damals noch jung war, voll Idealismus und Möglichkeiten
Mir hat von weißen Rosen geträumt
Mir hat von weißen Rosen geträumt
Sie waren so müd und blass
Auf ihren Blättern lag der Tau
Sie schienen von Tränen nass
Das fahle Dämmern zog herauf nach
Frostiger Herbstesnacht.
Mir hat von weißen Rosen geträumt, weil ich an dich gedacht
Interpretation:
1943 der Zweite Weltkrieg ist voll in Gang … die Welt ist traurig geworden, nunmehr spürt sie noch stärker das Verlassensein von allen geliebten Menschen ringsum. …. Das fahle Dämmern zog herauf… das Unglück (Hitler) kam … es wurde kalt (in frostiger Herbstesnacht
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Blumen vor deinem Bilde
Blumen stehn vor deinem Bilde,
die der erste Frühling bringt,
Der mit Licht und Duft und Schimmer
Siegreich jedes Herz bezwingt.
Blumen, Sonne, Vogellieder –
Alles hält er froh bereit
Aber mir kann er nichts geben,
als Erinnerung und Leid
Interpretation:
Sie denkt die vergangene Zeit, die verstorbene Mutter
Durch den eigenen Schmerz fühlt sie sich ausgeschlossen von der Freude der anderen Menschen. Der Sommer mit all seiner Pracht mag kommen, für sie gibt es keine Freude, keine Schönheit und keine Liebe mehr. Sie hat alles was sie liebte verloren.
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Schöner Schatz ich muss scheiden
Schöner Schatz ich muss scheiden, muss dich lassen, muss dich meiden,
denn die Welt ist so groß und sie zu durchwandern ist Spielmanns Los.
Hab viel Rosen gesehen im Vorübergehen bei Freude und ins Herz
Schöner Schatz ich muss scheiden, muss dich lassen, muss dich meiden,
So nimm zum Schluss, dies Lied meiner Sehnsucht als Abschiedsgruß
Interpretation: HW kann nicht beim geliebten Mann bleiben, etwas unbestimmtes treibt sie fort, … muss dich lassen, muss dich meiden … die Eifersucht der Ehefrau? .. oder auch die Konventionen, weil er verheiratet ist muss sie ihn meiden … trotzdem bleibt die Sehnsucht, am Ende ihres Lebens (1949) sehnt sie sich noch immer nach Fritz
Rosen vor deinem Bilde
Es stehen Rosen vor deinem Bilde,
die liebend der Sommer brachte,
da kam es, dass ich in Sehnsuchtsweh von neuem deiner gedachte
Wie liebtest du Rosen – ja so oft ich dir die duftenden Blüten gegeben
War`s mir als legte ich in deine Hand meiner Seele innerstes Leben
---- und wieder ist`s Sommer
Er bringt mir Weh und findet getrennt uns beide
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Es stehen Rosen vor deinem Bilde
Und zittern in tiefstem Leide
Interpretation:
Zwei Möglichkeiten: Tod der Mutter. Als engste Vertraute … legte ich in deine Hand meiner Seele innerstes Leben …dh keinem Menschen vertraute sie so sehr wie der Mutter, keiner Kannte sie so sehr und keiner verstand sie so wie die Mutter.
Nun ist Sommer, aber die Mutter ist tot und damit Fühlt sich HW vom Leben, der Freude und Liebe ausgeschlossen. Der Tod als endgültige Trennung von Mutter und Tochter lässt sie allein zurück
Interpretation auch möglich in Bezug auf Fritz
Kurztext Hedda Wagner
„verboten und vergessen – Texte aus dem Refugium“
Die Dichterin, Komponistin und Frauenrechtlerin Hedda Wagner (1876-1950) ist heute völlig in Vergessenheit geraten. Kaum jemand erinnert sich an die vielseitig begabte Linzerin, die ungefähr fünfzehn Romane, ungefähr 3000 Gedichte, beinahe ebenso viele Lieder, Kammermusik, heimatkundliche Aufsätze und sogar drei Opern geschrieben hat.
Geboren in der Monarchie, erlebte sie tiefgreifende politische Veränderungen, mit denen persönliche Brüche einhergingen. Hedda Wagner stammte aus bürgerlichem Haus, wurde jedoch Sozialdemokratin. Sie war katholisch erzogen worden, war praktizierende Katholikin, wandte sich jedoch später dem Buddhismus zu. Sie wollte Pianistin werden, wurde jedoch letztendlich Journalistin. Sie absolvierte ein Studium, obwohl Frauen damals nicht studieren durften. Trotzdem schaffte sie es, die Staatsprüfung in Klavier und Komposition am Konservatorium in Wien mit Auszeichnung abzulegen.
Hedda Wagner lässt sich demnach als Person kaum in ein Schema einordnen. Auch ihr Werk entzieht sich einer zeitlichen Einordnung, da es einerseits von der Romantik, andererseits aber auch vom Expressionismus und Naturalismus, musikalisch von der Zwölftonmusik, geprägt ist.
Bezeichnend für ihre Persönlichkeit ist vor allem die humanistische Denkweise, die ihr ganzes Leben bestimmt hat. Die Nationalsozialisten verhängten Schreibverbot über sie, sodass Hedda Wagner in den Jahren 1938-1945 weder aufgeführt noch publiziert werden durfte.
Sie begab sich in die „innere Emigration“ und nutzte diese „unfreiwillige Muße“ um an umfangreicheren Projekten zu arbeiten.
Das Buch „verboten und vergessen-Texte aus dem Refugium“ befasst sich mit Hedda Wagners Leben und Werk eingebettet in den sozialen und politischen Kontext der Jahre 1938-1945 in Linz. Das individuelle Leben wird als Schnittpunkt zwischen Allgemeinem und Besonderem dargestellt.
Kurztext Hedda Wagner 3
So in mich selbst verborgen
„So in mich selbst verborgen“ Hedda Wagner und die schöpferische Kraft der Einsamkeit
Die Linzer Komponistin, Dichterin, Journalistin und Frauenforscherin Hedda Wagner (1876-1950) ist heute kaum bekannt, obwohl sie ein umfassendes künstlerisches Werk hinterlassen hat. In der Ersten Republik war Hedda Wagner in der Sozialdemokratie engagiert, hatte Freundinnen und Freunde, mit denen sie auch korrespondierte. Trotzdem blieb sie Zeit ihres Lebens allein. Durch das Schreibverbot 1938 und schon davor durch das Verbot der Sozialdemokratie im Ständestaat blieb ihr viel Zeit, in der sie, losgelöst von bestimmten Vorgaben, arbeiten konnte. Dies war auch die Zeit, größere Projekte in Angriff zu nehmen, wie etwa die "Geschichte und Bedeutung der Linzer Strassennamen", eine heimatkundliche Studie. Musikalisch anspruchsvolle Kompositionen, darunter die beiden Opern "Die Höhle des Mithra", "Der Weihnachtsball" und "Melisande" entstanden während dieser Zeit des inneren Exils.
Meine beiden zuletzt erschienen Bücher befassen sich mit diesem Werk und seinen Entstehungsbedingungen.
Christine Schmidhofer, "Verboten und Vergessen - Hedda Wagners Wer 1938-1945" erschienen 2021 im Verlag Nina Roiter
Christine Schmidhofer (Hg.), "verboten und vergessen - Geschichte und Bedeutung der Linzer Strassennamen von Hedda Wagner", erschienen 2022 im Verlag Nina Roiter